Proteste in China
„Nieder mit Xi Jinping!“: Proteste in China
Polizisten stehen Schlange, um Demonstranten in Peking zu stoppen. Foto
© Ng Han Guan/AP/dpa
Die rigide Null-Covid-Politik hat in China zu den größten Protesten seit Jahrzehnten geführt. Demonstranten fordern ein Ende des Lockdowns. Von der Regierung ist wenig zu hören.
In China löste die strikte Corona-Politik am Wochenende die größten Proteste seit Jahrzehnten aus. Hunderte Demonstranten gingen auf die Straßen der Hauptstadt Peking und anderer Megastädte.
Auch in Shanghai waren es vor allem junge Menschen, die am Sonntagabend an einem Protestmarsch teilnahmen. Videos von dort, die trotz staatlicher Zensur online kursierten, enthielten Gesänge wie „Nieder mit der Kommunistischen Partei! Nieder mit Xi Jinping!“. Hören. Unter dem derzeitigen Staats- und Parteichef verfolgt die Volksrepublik eine strikte Null-Covid-Strategie.
Solche offenen Proteste sind in dem autoritären Riesenstaat mit mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern äußerst selten. Für Menschen, die ihre Meinung offen äußern, sind sie extrem riskant. Auslöser für die öffentliche Unzufriedenheit in mehreren Metropolen war der Brand einer Wohnung in der Stadt Ürümqi im Nordwesten des Landes in der Nacht zum Donnerstag mit mindestens zehn Toten. Viele sind der Meinung, dass die Rettungsarbeiten durch die strengen Corona-Maßnahmen behindert wurden.
China hält an Corona-Strategie fest
Trotz der harten Maßnahmen der Behörden steigen die Corona-Zahlen weiter: Am Sonntag registrierte die Nationale Gesundheitskommission den vierten Tag in Folge eine Rekordzahl von mehr als 39.000 Neuerkrankungen. Jede Infektion führt zur Abriegelung ganzer Urbanisationen und zur Verlegung aller Infizierten in Quarantänekrankenhäuser. Während der Rest der Welt mit dem Virus lebt, hält China an seiner Strategie fest. Auch nach fast drei Jahren Pandemie sind die Grenzen weitgehend geschlossen.
Mehrere Hundert Studenten versammelten sich am Sonntag auch auf dem Campus der Tsinghua-Universität in Peking, der Alma Mater von Xi Jinping. Die Videos zeigten, wie sie aus Protest gegen das Vorgehen des Staates gegen kritische Stimmen leere Blätter in die Luft hielten. Eine junge Frau sagte: „Wenn wir nicht aus Angst unsere Stimme erheben, werden wir unsere Leute im Stich lassen. Die Menge antwortete euphorisch, dass sie keine Angst haben müssten.
An anderen Orten in Peking brachen Bewohner mehrerer Stadtteile ihre Zäune von Eigentumswohnungen nieder und forderten ein Ende der Sperrungen. In Shanghai sind am Sonntag trotz zahlreicher Polizisten und umfangreicher Absperrungen erneut Proteste mit mehreren hundert Teilnehmern ausgebrochen. Videos zeigten, wie Demonstranten abgeführt wurden. Mit Ausnahme einiger Supermärkte sind praktisch alle Geschäfte in der Metropole geschlossen. Die Straßen sind bis auf lange Schlangen vor den PCR-Teststationen menschenleer.
landesweite Proteste
Auch in Städten wie Wuhan, Chongqing und Ürümqi brachen Proteste aus. Bei einem Hausbrand in Urumqi in der Provinz Xinjiang wurden mindestens zehn Menschen getötet und neun weitere verletzt. Mehrere Anwohner kritisierten in den sozialen Netzwerken, dass die rigiden Maßnahmen des Coronavirus die Brandbekämpfung erschwert hätten. Die Bewohner hatten aufgrund verschlossener Wohnungstüren Schwierigkeiten, nach draußen zu fliehen.
Angesichts des Anstiegs der Kronenzahl glauben Beobachter, dass China in einer Sackgasse steckt. Die Gesundheitskommission begründet sich damit, dass die Öffnung viele Todesopfer fordern würde. Mediziner warnen zudem davor, dass das Gesundheitssystem überfordert wäre, wenn sich das Virus ungehindert ausbreiten würde. Doch die Wut wächst in der Bevölkerung. Schuld am rasanten Aufstieg sind neuere Omicron-Varianten, die sich leichter verbreiten.
Auch die Regierung ist unter Beschuss geraten, da klar ist, dass die Behörden seit Ende 2019 den Großteil ihrer Kapazitäten für ständige Tests und massive Lockdowns eingesetzt haben. Die Vorbereitungen, um aus der Pandemie herauszukommen, seien nicht ausreichend getan worden. Die Durchimpfungsrate der Bevölkerung liegt bei rund 90 Prozent, bei älteren Menschen bestehen jedoch erhebliche Impflücken: Nur 40 Prozent der über 80-Jährigen haben bisher zwei Impfungen und eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Quelle: www.stern.de