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Großes Disco-Sterben in MV: „Neue Leute trifft man heute virtuell“
Die Party ist vorbei: Junge Leute gehen heute lieber in Szenekneipen – oder gar nicht mehr aus.
© Quelle: Britta Pedersen
Greifswald. Die Jahre, in denen Großclubbetreiber im Land ihre Läden ohne große Mühen vollbekamen, sind längst vorbei. Im Gespräch mit der OZ erinnerte sich Volker Fritzsche jüngst, der gemeinsam mit drei Geschäftspartnern das Fly-In in Greifswald und die Diskothek Genesis in Wusterhusen bei Lubmin betrieb, an die fetten Anfangsjahre. „Es war eine tolle Zeit. Die Leute kamen nicht nur aus Greifswald, sondern auch aus Stralsund und Neubrandenburg. Da war richtig Rambazamba“, so Fritzsche. Und auch viele Leserinnen und Leser der OZ erinnern sich mit Wehmut an die guten alten Zeiten.
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Leni Kreßmann sagt, sie habe neulich gerade darüber gesprochen. „Ach, was hatten wir für eine schöne Zeit. Heute frage ich mich immer, was die Jugend jetzt macht. Es gibt ja nichts mehr, wo man tanzen gehen kann.“ Oliver Krüger schwärmt: „Im Greifswalder Crazy Town (CT) sind wir jedes Wochenende ein- und ausgegangen. Dort habe ich vor 16 Jahren meine Frau kennengelernt. Es war eine echt tolle Zeit. Wir hatten dort mit unseren Freunden jede Menge Spaß.“
Anne Günther bedauert: „Schade, dass es heute nicht mehr so viele Diskotheken gibt.“ Jule March zählt auf: „Heizhaus Parchim, Busch Club Schwerin, Fun in Rostock. Es gab so viel Tolles, und ich habe die Zeiten damals richtig genossen.“ Petra Heintze sieht es genauso: „Ja, die Dorfdiscos haben gefetzt. Jedes Wochenende waren wir unterwegs, sind auch mal sechs Kilometer zu Fuß gelatscht, um hinzukommen. Gefeiert haben wir wirklich viel und ausgiebig.“ Auch Cindy Quade schwelgt in Erinnerungen: „Oh Mann, das Genesis war neben dem Hühnerstall in Zinnowitz damals unsere Disco der Wahl. Das waren Zeiten, irre! Jetzt ist das Erstgeborene fast alt genug für die Disco.“
„Echt schade, dass es die Diskotheken nicht mehr gibt“
Beatrix Steinborn hoffe, sagt sie, dass „die jetzt noch junge Generation uns Alte versteht, wenn wir sagen, was wir für eine schöne Zeit hatten. Wir hatten die Stubnitz oder den Schacht in Sassnitz.“ Karo Neudert stellt fest: „Mecklenburg-Vorpommern wird immer ruhiger. Wenn man zurückkommt aus einer Großstadt, hat man ganz schön zu tun mit der Freizeitgestaltung, egal in welchem Bereich. Die Brauerei in Stralsund soll ja ab nächstes Jahr wieder richtig starten, zumindest ein Mal Monat, falls das noch stimmt.“ Monique Schade blickt ebenso gern und mit Freude zurück: „Es war eine richtig schöne Zeit. Echt schade, dass es die Diskotheken nicht mehr gibt. Heutzutage kommen ja alle schon mit einem Muttizettel rein. Da macht es einfach keinen Spaß mehr, irgendwo hinzugehen.“ Jan Koch habe aber auch bemerkt, dass sich das Verhalten auf den Tanzflächen geändert hat. „Oft stehen manche nur auf der Tanzfläche und glotzen aufs Handy oder tun so, als ob sie telefonieren. Das finde ich so was von bekloppt.“
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„Der Unmut der Älteren wird lauter, dass die Jugend nur Unfug treibt“
Manfred Steckelbach erklärt: „Das Diskothekensterben ist nicht nur ein MV-Phänomen, das ist bundesweit. Die Jugend hat andere Interessen. Shisha-Bar, Internetspiele, sich mit Kumpels an der Tanke mit dem aufgemotzten Auto treffen. Neue Leute trifft man virtuell. Auch ein Club muss wirtschaftlich arbeiten. Keine konsumierende Kunden, kein Club.“ Lina Schoop ergänzt hier noch ihre Wahrnehmung: „Nicht nur die Diskotheken, auch Jugendtreffs verschwinden weiter von der Bildfläche. Gleichzeitig wird der Unmut der älteren Bevölkerung lauter, dass die Jugend nur Unfug treibt und an nicht vorgesehenen Plätzen feiert und Krach macht. Dabei heißt es doch, die Kinder seien unsere Zukunft. Doch lassen wir sie alleine verkommen.“
„Zum Feiern ist nicht mehr vielen zumute, dabei wäre es jetzt so wichtig“
Und Ruben Tews glaubt hier die Gründe ausmachen zu können: „Der Anfang vom Ende, nicht nur in MV, war das Rauchverbot in Innenbereichen. Dann kam die beklagte Lärmbelästigung. Durch das Herabsetzen der Dezibelzahl im Regelwerk für Ruhestörung in der Nacht mussten viele schließen, da die Werte auf einmal völlig zu hoch waren. Dann kamen die neuen Regeln für Brandschutz und Sicherheit hinzu, die wesentlich verschärft wurden. Klagen von Anwohnern über die Lautstärke der Besucher im Außenbereich sorgten für noch mehr Frust bei den Betreibern. Es kam über die Jahre vieles zusammen. Zum Feiern ist jetzt nicht mehr wirklichen vielen zumute, obwohl gerade jetzt es wichtig wäre.“
Quelle: news.google.com